St. Michaels Lied

Der hl. Michael ist “der große Fürst“ der himmlischen Heerscharen. Jeden Tag ruft die Kirche den Erzengel im Confiteor an:

„ .... mitten unter den Heiligen, den trotz aller Erhöhung vertrauten Menschengeschwistern, reden wir damit ein Wesen an von unfaßbarer Fremdheit, alt wie der Weltenmorgen, jung wie der Geist, gewaltig über alle Vergleiche unserer Erde hinaus und dennoch einbezogen in die Gemeinschaft der Anbetung des Herrn...“

Michael, der zur Rechten des Altars steht, segnet auf die Bitte des Priesters den Opferweihrauch und trägt die Opfergaben vor Gottes Thron.
Wir finden sein Bild als ritterlicher Jüngling mit dem Flammenschwert auf dem besiegten Drachen stehend in unzähligen Kirchen und Kapellen. Auf den Weltgericht Bildern erscheint er als Seelenwäger, manchmal auch mit dem offenen Buch des Lebens und Todes, als Kennzeichen der Teilnahme am letzten Gerichtstag.
Er bestand den Kampf gegen Luzifer und blieb als Schutzherr des Gottesvolkes der Führer und Streiter gegen die Mächte der Finsternis. Michael ist der Bannerträger Christi.
Besonders Deutschland verehrt in ihm seinen himmlischen Schirmer, dessen Bild einst die deutsche Reichsfahne zierte. Sankt Michael sind auch die dahin scheidenden Seelen anvertraut.

Der Name Michael bedeutet seinem hebräischen Wortsinn nach: Wer ist wie Gott?
Sein Fest als Weihefest seiner Kirche in Rom ist seit Leo dem Großen am 29. September. Das Fest der “Erscheinung Michaels“ wird von der Kirche seit dem 11. Jahrhundert am 8. Mai gefeiert. Es hat sich aus dem Lokalfest der Michaelskirche auf dem Monte Sant´ Angelo bei Siponto in Süditalien entwickelt, wo der hl. Michael um 490 auf dem Garganogebirge erschienen ist. An diesem Orte hat der Engel zum ersten Mal im Abendland kundgetan, daß ihm ein Heiligtum errichtet werden solle. Hierauf gehen alle Michaels – Heiligtümer in Europa zurück.

Der hl. Erzengel Michael ist Patron der Kirche, der armen Seelen, der nach ihm benannten Orden; der Apotheker und Kaufleute, und vieler anderer Berufe wie Bäcker, Bankangestellte, Drechsler, Glaser, Maler, Radiofachleute, Schneider, Vergolder, Blei – und Zinngießer, der Soldaten, der Sterbenden, gegen Blitz, Ungewitter, Pest, für guten Tod, der Kirchhöfe.

Er ist der Pestengel des Mittelalters, als welchen ihn Darstellungen wie das Fresko in S. Pietro in Vincoli in Rom zeigen.

Legende

Die ersten Erscheinungen des großen Engelsfürsten Sankt Michael gehören dem byzantinischen Orient an.
Er kam also aus dem Osten. Die Legende verlegt sie in die Zeit des ersten christlichen Kaisers Konstantin. Dieser soll in Byzanz drei eberne Kreuze aufgestellt haben und dreimal im Jahr ließ sich der Erzengel aus Himmelhöhen herab, jene Kreuze mit dem Gesang eines Hymnus zu umwandeln.
Konstantin erbaute dem Engel zu Ehren eine Kirche, das sogenannte Michaeleion. Die byzantinischen Herrscher übernahmen seine Verehrung, Justinian allein soll ihm sechs Kirchen geweiht haben, in 15 Basiliken besaß der Erzengel eigene Altäre. Der Taufname Michael ist deshalb in den byzantinischen Kaiserfamilien und später in Rußland so häufig anzutreffen.
Am berühmtesten war seine Erscheinung in Chonae bei Colossae, wo eine eine heilkräftige Quelle seit den Tagen der Apostel Johannes und Philippus  mit dem Wirken des Erzengels in Verbindung steht. Von dort nahm der Erzengel seinen Flug übers Meer ins Abendland. Dreimal erschien er auf dem Garganus in den Jahren zwischen 490 und 495.

Die erste Erscheinung des Erzengels Michael im Jahre 490 auf dem Monte Gargano war von seltsamen Umständen begleitet.
Am 4. Mai klomm ein Herdenbesitzer aus Siponto mit seinen Hirten den steilen Abhang des Gebirges empor, um den schönsten Stier seiner Herde zu suchen, der ihm von seiner auf der Hochfläche des Berges weidenden Herde entlaufen war. Nach langem ergebnislosen Umherstreifen war er schon im Begriff, die Suche aufzugeben, da erblickte er mit einem Male den weißen Stier in seiner ganzen Kraft und Schönheit gelassen vor dem Eingang einer von dichten Buschwald umwucherten Höhle stehen.

Ein blendendes Licht erschien über dem Tier und seiner Zufluchtsstätte, verschwand aber sogleich wieder. So erfreut die Hirten über den Anblick des Wiedergefundenen waren, so enttäuscht waren sie gleichzeitig, es bestand nämlich keine Aussicht, das Tier einzufangen, das Gewirr des Unterholzes verhinderte jede Annäherung.
Der erzürnte Besitzer, der den Stier verloren geben mußte, schoß in seinem Zorn einen Pfeil gegen das Tier, um es zu töten. Aber es geschah etwas Merkwürdiges, der Pfeil wurde von unsichtbarer Hand im Fluge zurück gehalten und durchbohrte, auf den Schützen zurück fliegend, eines seiner Augen. Entsetzt brachten die Hirten ihren Herrn nach der Stadt zurück und berichteten dort das rätselhafte Ereignis dem Bischof.
Dieser ordnete, beunruhigt, eine dreitägige Fasten – und Bußzeit an, während er selbst in seiner Bischofskirche S. Maria Maggiore in Sipinto im Gebet verharrte, hoffend, von Gott Aufklärung über den Hergang zu erhalten.
Da erschien ihm in der Morgendämmerung des 8. Mai, an einem Donnerstag, der große Engel und sprach zu ihm:
„ Ich, der Erzengel Michael, habe diesen Stier unter meinen Schutz gestellt. Dies Zeichen soll anzeigen, daß jene Höhle ein heiliger Ort ist, deren Hüter und Wärter ich bin. Wenn ihr mich dort verehren werdet, werdet ihr Heil erfahren“. 

Sogleich rief der Bischof seine Gemeinde zusammen und zog mit Priestern und Volk auf mühsamen Wegen zu dieser durch den Engel entdeckten Höhle. Aber niemand, auch der Bischof nicht, wagte in dieselbe vorzudringen, denn geisterhafte Stimmen ertönten beständig aus der dunklen Grotte hervor:
„Hier wird Gott angebetet, hier ist der Ort der Verehrung Gottes“.
Papst Felix, der von dem wunderbaren Ereignis unterrichtet wurde, ließ dieses überall verkünden. Kaiser Zeno von Byzanz aber sandte, tief beeindruckt, dem Bischof von Siponto Weihegeschenke zu Ehren des großen Engels.

In den Streitigkeiten der Germanen um die Herrschaft in Italien wurde Siponto mehrmals bedroht. Im Jahre 492 zog Odoaker mit starker Übermacht heran, Theoderich aber hatte nur wenige Soldaten in der Stadt. Da erinnerte sich in der großen Gefahr der Bischof des Anführers der himmlischen Heerscharen, der ihm vor nicht langer Zeit seine Huld und Nähe angezeigt hatte. Er flehte ihn um seinen Schutz an.
Und siehe, in der Morgenfrühe des 19. September erschien Michael dem Bischof zum zweiten Mal und versprach ihm Hilfe. Als der Kampf begann, verfinsterte sich der Himmel des Gargano Gebirges, der erwählte Ort des Engels und Siponto an seinem Fuße wurden von dichten Wolken umzogen. Unaufhörlicher Donner erschütterte die Erde, die zu beben schien, zahllose Blitze zuckten aus dem schwarzen Gewölk.
Durch den heftigen Aufruhr im Kosmos wurden die feindlichen Krieger so sehr erschreckt, daß sie sich zur Flucht wandten, während die Siponter, die sich in Michaels Schutz wußten, ihnen mit seinem Bild auf den Fahnen bis nach Neapel nachsetzten.
Nach dem Siege zog der Bischof mit allem Volk zum Berge,, um dem Engel den Dank der Gemeinde darzubringen. Als er selbst nach langem Zögern die Grotte betrat, da fand sich ein Zeichen von der Gegenwart des Engels:
Er hatte den Abdruck seines Fußes hinterlassen.

Nach all diesen Zeichen wollten nun die Siponter dem Erzengel ein Denkmal ihres Dankes errichten. Der Bischof fragte den Papst Gelasius, ob er die Höhle zu einer Kirche weihen dürfe.

Der Papst antwortete,
„daß es den Sipontern nicht zustehe, den Tag der Weihe zu bestimmen, vielmehr sollten sie den Spruch des hl. Engelsfürsten unter Fasten und Beten erwarten“. Und tatsächlich, in der Nacht des 29. Septembers offenbarte sich Michael dem Bischof:

„Nicht du sollst meine Höhle zum Heiligtum weihen, denn der sie kund gemacht, hat ihr schon die Weihe verliehen.
Ich, “der Herr der Höhle“, rufe euch nun in mein Heiligtum, damit ihr dort furchtlos den heiligen Gottesdienst feiern möget. Denn ich habe diese Kirche zur Basilika geweiht, auf daß in diesem Hause Gottes die Sünden der Menschen vergeben und alle Schuld dort abgewaschen werde“. 

In der Morgenfrühe bereiteten sich darauf der Bischof und das Volk zur Wallfahrt auf den Berg. Als sie noch zagend die Höhle betraten, fanden sie das Zeichen der Weihe:
Der unregelmäßige Felsen mit dem Fußabdruck des Engels war durch Michael zum Altare bereitet worden. Man fand über den Felsen gebreitet ein rotes Tuch, wie es in der griechischen Kirche die Weihe eines Altars sichtbar anzeigt.

Die letzte Erscheinung Sankt Michaels fand im Jahre 1656 statt.
Da wütete in ganz Unteritalien eine furchtbare Pest. Angesichts der menschlichen Ohnmacht ließ der damalige Bischof von Siponto ein dreitägiges Fasten ausrufen. Er zog dann an der Spitze aller seiner Kleriker, gefolgt von einer ungeheuren Menge Volkes, zu der Höhle hinauf, mit Stricken um den Hals, Psalmen und Litaneien singend.
Doch erst nachdem sich Bischof und Volk drei Tage lang gedemütigt hatten, bezeugte sich der Engel. An einem Freitag, dem 22. September, eine Woche also vor dem Fest des Engels, erwachte der Bischof, wie er in einem Brief an Papst Alexander VII. Aus dem Jahre 1658 berichtete,
„um fünf Uhr morgens von einem Schrecken – erregenden Geräusch, das von einem Erdbeben herzurühren schien. Da sah er im Osten ein mächtiges Licht, gleich einem sonnenleuchtenden Kristall, und er hörte eine Stimme, die sprach:
Wisse, o Hirt dieser Herde, daß ich von dem Dreifaltigen Gott erlangt habe, daß ein jeder, der einen Stein von den Wänden meiner Höhle bricht und ihn in frommer Gesinnung bei sich trägt, von der Pest befreit wird. Ja, alle Häuser, Orte und Städte, wo ein solcher Stein bewahrt wird, sollen von der Pest verschont bleiben. Künde alle diese Gnade des Herrn.
Wenn du aber auf mein Geheiß die Steine segnest, so grabe in sie das Zeichen des heiligen Kreuzes ein und dazu meinen Namen. So wird der Gotteszorn abgewendet werden.

Überglücklich und voller Dank fiel der Bischof auf seine Knie, dann reif er seine Diener herbei und berichtete ihnen die Verheißung des Engels. Am nächsten Tag, dem 23. September, verkündete er dem ganzen Volke, daß es sich nicht mehr vor der Pest zu fürchten brauche.
Er befahl, die Steine aus den Wänden der Höhle heraus zu brechen, ließ in sie das Monogramm S u. M eingraben und segnete sie mit einer eigenen Benediktionsformel.
Nachdem er nun die Steine unter das Volk hatte verteilen lassen, erlosch die Pest innerhalb weniger Tage im ganzen Lande.

Aus diesen legendären Berichten erhellen die michaelischen Ämter und Wirksweisen. Michael erscheint als Träger eines fünffachen Amtes:
Als Hirte und Schützer der Herden, als Kriegsheld und Herr der kosmischen Gewalten, als Priester, der den Kult zurüstet, als Herr der Höhle, das will sagen als Totengeleiter und Fürst des Seelenreiches, und schließlich als Arzt und Kenner der verborgenen Heilkräfte der Erde und der Gewässer, als Heiler des Aussatzes des Leibes wie der Seele.    

Entnommen dem : Das große Handbuch der Heiligen        1978

Verfasser: Erna und Hans Melchers       Bearbeitung: Carlo Melchers